NEUE WEGE im Intermodalen Verkehr
Unsere letztjährige CombiNet-Tagung stand unter dem Motto „NEUE WEGE im Intermodalverkehr“. Neue Wege im übertragenen Sinn in der Zusammenarbeit in der Transportkette und im wörtlichen Sinne notwendige, neue Wege in der Infrastruktur.
Fast 100 Teilnehmende aus der gesamten Intermodalbranche konnten zu diesen beiden Themenschwerpunkten interessante Vorträge aus den verschiedensten Wirtschaftszweigen verfolgen und diese dann mit den Vortragenden und der gesamten CombiNet-Community intensiv diskutieren. Die Tagung ist damit wieder ihrem Ruf gerecht geworden, DIE Branchenveranstaltung zum Kombinierten Verkehr in Österreich zu sein. Das Feedback der Teilnehmenden gibt uns dabei Recht.
Im ersten Teil, der sich mit neuen Ansätzen und „neuen Wegen“ in der Intermodalwelt befasste, stellte Christian Steindl, Geschäftsführer der Tailwind Intermodal GmbH das neue Logistikkonzept der Lidl/Schwarzgruppe für interkontinentale Importverkehre im Detail vor. Dabei verfolgt das Unternehmen einen grundsätzlich anderen Ansatz als die Marktbegleiter. Man setzt ganz gezielt in strategisch wichtigen Elementen der Supply Chain auf eigene Ressourcen, um in diesen Bereichen in keine Abhängigkeiten zu kommen und aktiv gestalten zu können. Dazu wurde 2022 eine eigene Reederei – die Tailwind Shipping Lines – gegründet, die zwischenzeitlich 10 Schiffe umfasst, die auf den wichtigen Importrouten des Mutterkonzerns eingesetzt werden. Man setzt dabei auf kleinere Schiffe, kleinere Häfen und auch weniger Hafen-Anläufe, um Kosten und vor allem Qualität hochzuhalten.
Als weiteren Baustein wurde 2024 die Tailwind Intermodal GmbH mit Sitz in Graz gegründet, die als Intermodaloperateur die Intermodal-Züge des Konzerns von Koper zum Cargo Center Graz, als einem von drei zentralen Hubs in Europa (neben Rotterdam und Barcelona), steuet. Neben dem Eigenvolumen bietet der Operateur zusätzlich Leistungen für Drittkunden auf neutraler Basis auf seinen Zügen an. Mit diesem Konzept wird ein stabiles, kostengünstiges und vor allem verlässliches Rückgrat für ein Netzwerk für die Warenversorgung des Konzerns aufgebaut. Das Netzwerk soll in den nächsten Jahren auch um kontinentale Intermodalverkehre erweitert werden.
Das der Intermodalverkehr in Bereichen zur Anwendung kommt, die auf den ersten Blick nicht direkt ersichtlich sind, zeigte der Vortrag von Andreas Taschner und Sebastian Zahlbruckner von der OMV Downstream GmbH. Das Unternehmen beschäftigt sich mit dem stofflichen Recycling von Kunststoffabfällen, die nicht sortenrein wiederverwendet werden können und heute in erster Linie als Ersatzbrennstoffe thermisch verwertet werden. Die Idee dabei ist, diese Abfälle in einem komplexen und derzeit weltweit einzigartigen chemischen Prozess (sog. ReOil-Technologie) wieder in nutzbare Produkte zur Kunststoffherstellung umzuwandeln, ohne dass man dafür fossile Rohstoffe verwenden muss. Derzeit wird in Schwechat dazu eine großtechnische Anlage entwickelt und gebaut.
Die Versorgung der Anlage mit Kunststoffabfällen soll dabei mittels Lösungen im Kombinierten Verkehr abgewickelt werden. Dazu ist ein speziell auf die Eigenschaften des Materials und auf die Bedürfnisse der ReOil-Anlage ausgelegtes Intermodalkonzept geplant, welches teilweise bestehende Intermodalverbindungen nutzt oder auch von eigenen Leistungen in Ganzzügen getragen wird. Damit können die logistischen Vorteile von intermodalen Lösungen exakt und sehr effizient für diese Supply Chain genutzt werden.
Die Unterstützung von Unternehmen im Intermodalverkehr durch die öffentliche Hand ist ein wichtiges Instrument, um vorhandene Systemnachteile auszugleichen oder notwendige Investitionen in den Kombinierten Verkehr zu beschleunigen. Österreich bietet hier eine breite Palette von Unterstützungen für Unternehmen in verschiedensten Bereichen, beginnend bei der Forschungsförderung über Equipment-Investitionen bis zu regionalen und überregionalen Betriebsförderungen an.
Um den Überblick und die zielgerichtete Nutzung für die Unternehmen zu verbessern wurde vom BMK ein sogenannter „Förderkompass“ aufgelegt, der einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Fördermöglichkeiten mit Bezug zum Verkehr geben soll. Die wesentlichen Inhalte und wichtige Informationen zur Handhabung dieses wichtigen Instruments wurden von Martin Schwemberger vom BMK präsentiert.
„Was hat das Jungfraujoch in der Schweiz mit Kombiniertem Verkehr zu tun? Und wie passen Innenstadt, ein Parkhaus und die Schiene zusammen?“ Diese Fragen haben sich wohl einige der Teilnehmenden am Beginn des Vortrages von Rainer Sohm von der LTW GmbH, einem Tochterunternehmen der Doppelmayr Group aus Vorarlberg und Spezialist für innovative Lager- und Umschlagtechnik, nicht ganz ohne Berechtigung gestellt. Zur Beantwortung dieser Fragen berichtet Rainer Sohm von einigen Projekten des Unternehmens, wo letztlich in Randbereichen sehr wohl intermodale Technologien Sinn machen und Nutzen stiften. Als Beispiele wird ein intermodales Entladesystem für Gütertransporte eben auf das Jungfraujoch mitten im Publikumsbetrieb dieses Touristenzentrums beschrieben. Oder ein automatisiertes „Indoor-Containerlager“ für spezielle Container der Schweizer Armee, oder eine kompakte Umschlaganlage zwischen Wechselbrücken und Stückgutverkehren mitten in der Innenstadt wurden und werden von dem Unternehmen realisiert.
Der Vortrag sollte dazu motivieren, die eine oder andere Grenze – sei sie im Kopf oder real – einfach einmal zu hinterfragen und neue Ansätze zu versuchen. Damit schließt sich auch der Kreis im Motto der „neuen Wege“. Denn oftmals sind auch „neue Wege im Kopf“ notwendig, um neue Wege in der Realität zu schaffen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde ein für den Kombinierten Verkehr fast existenzielles Thema aufgegriffen, die Verfügbarkeit und die Qualität der Schieneninfrastruktur speziell auf der Achse von und nach Deutschland. Zusätzliche Brisanz bekam das Thema durch die aktuelle Hochwassersituation in Österreich, durch die augenscheinlich wurde, wie anfällig Infrastrukturen durch Naturereignisse werden können, die in Zukunft vermutlich immer häufiger ein Thema werden können.
Hauptthema des Vortrages von Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerkes Europäischer Eisenbahn e.V. (NEE, „Die Güterbahnen“), dem größten Netzwerk von privaten Schienengüterverkehrsunternehmen mit 110 Mitgliedern aus ganz Europa, war der Zustand und die geplanten Sanierungsmaßnahmen am deutschen Streckennetz in den kommenden Jahren.
Die Schieneninfrastruktur in Deutschland ist für den österreichischen Intermodal-Markt und generell für die Versorgungssicherheit der heimischen Industrie von entscheidender Bedeutung, laufen doch mehr als die Hälfte der bilateralen Verkehre und ein Großteil der Transitrelationen über das deutsche Netz. Leider ist der Zustand dieser Infrastruktur in weiten Bereichen deutlich modernisierungsbedürftig, was massive Ausbauten und vor allem auch umfangreiche und länger dauernde Sanierungsmaßnahmen nach sich zieht. Wie Peter Westenberger berichtet, kommen neben den und betrieblichen Herausforderungen auch organisatorische Themen wie nicht abgestimmte oder vom Umfang her unterschätzte Planungen und auch Finanzierungsthemen hinzu, wodurch Zeitpläne oftmals nicht gehalten werden können und es zu nichtplanbaren Betriebseinschränkungen bis hin zu Streckensperren kommt.
Österreich ist aus seiner Sicht bei den anstehenden Sanierungen auf der Achse Nürnberg – Regensburg – Passau besonders betroffen, da es nur wenige vernünftige Alternativrouten gibt und die verfügbaren Alternativen – wie z. B. München – Rosenheim – Salzburg ebenfalls von Sanierungen betroffen und auch bereits mit den vorhandenen Verkehren hoch ausgelastet sind. Aus Sicht der NEE sind daher die bedarfsgerechte Finanzierung, realistische und mit allen Beteiligten abgestimmte Planungen und vor allem ein koordiniertes, grenzüberschreitendes Vorgehen essenziell, um die Auswirkungen dieser notwendigen Sanierungen auf die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten.
In der nachfolgenden, überaus konstruktiven und inhaltlich hochkarätigen Diskussion mit Vertretern aus der Branche und aus der Wirtschaft sowie den Eisenbahnverkehrsunternehmen wurde klar herausgearbeitet, dass eine abgestimmte Vorgangsweise der Infrastrukturbetreiber einer der Schlüssel für eine möglichst geringe Beeinflussung der Kapazitäten und Qualitäten ist. Auf kein Verständnis der Teilnehmenden stieß der Ansatz des deutschen Netzbetreibers, dass Mehrkosten aus den notwendigen Umleitungsverkehren, welche teilweise bis zu 300 km betragen können, allein durch die Nutzer getragen werden sollen. Die NEE ist hier im engen politischen Austausch, um eine Lösung zu finden.
Damit konnte auch heuer wieder ein spannender Themenbogen aufgebaut werden, der viele Informationen und auch viel Raum für die Vernetzung der Teilnehmer:innen untereinander bot.
Wir möchten uns bei allen Vortragenden sehr herzlich für die überaus interessanten Beiträge und die Mitwirkung bedanken. Unser Dank gilt auch den Tagungsteilnehmenden, die mit ihren Diskussionsbeiträgen ganz wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.
Alle Präsentationen und Unterlagen zur Tagung sowie die Aufzeichnung der Tagung finden Sie hier.
Die nächste CombiNet-Tagung findet am 06.11.2025 am selben Ort (Wolke 19) statt. Bitte den Termin gleich vormerken. Wir freuen uns schon jetzt auf Ihr Kommen.